Tag Archives: Debatte

Veranstaltung „Offene Grenzen“ in Bonn: Die nächste Etappe

Das Thema Einwanderung wurde im Verhältnis zu seiner Wichtigkeit unter Libertären lange stiefmütterlich behandelt. Dies ist nun dabei, sich zu ändern.

Freie Einwanderung sollte auf der Prioritätenliste von Liberalen und Libertären eigentlich unter den Top-Themen rangieren. Lange war dies im deutschsprachigen Raum nicht so.

Einige aus dem liberal-libertären Spektrum berufen sich auf den tragischen, aber populären Ausspruch Milton Friedmans: „Man kann nicht gleichzeitig freie Einwanderung und einen Wohlfahrtsstaat haben.“ Daraus wird gerne eine Position hergeleitet, die freie Einwanderung zwar prinzipiell befürwortet, aber erst unter der Voraussetzung, dass der Wohlfahrtsstaat abgeschafft sei. Also eigentlich nicht.

Aber auch unter denjenigen, die sich auch unter den in der Realität gegebenen Bedingungen für freie Einwanderung aussprechen, ist das Thema immer noch unterbewertet. Wieso sollte man sich stärker für offene Grenzen einsetzen als beispielsweise für ein Ende von Schutzzöllen oder eine verträglichere Geldpolitik?

Weil es freie Migration Menschen ermöglicht, gegen repressive Regimes mit den Füßen abzustimmen. Weil der Arbeitsmarkt, der weltweit größte Markt überhaupt, in den westlichen Staaten einem rigiden Protektionismus gegen Ausländer erlegen ist. Weil wir sehen, dass an den europäischen Außengrenzen Flüchtlinge ihr Leben aufs Spiel setzen, weil sie auf ein besseres Leben in Sicherheit und Freiheit hoffen. Weil unvorstellbar viele Menschen auf dieser Welt, die heute in tiefster Armut leben, ihren (und unseren!) Lebensstandard bedeutend verbessern könnten, wenn man sie nur ließe. Deshalb beispielsweise. Und deshalb, weil sich einige die Dimension der Frage freier Einwanderung bewusst gemacht haben, sind wir dabei, uns dem Thema nun deutlich stärker zuzuwenden.

So gründete sich am 16. März diesen Jahres, am Open Borders Day, die maßgeblich von Liberalen und Libertären vorangetriebene Initiative Offene Grenzen. Als deutschsprachiger Ableger der internationalen Mutterorganisation Open Borders: The Case betreibt sie einen Blog, der aus verschiedensten Blickwinkeln Argumente für freie Einwanderung (und Bedenken dagegen) aufgreift und ausführlich diskutiert.

Im Vorfeld fand im Februar auf der Gründungsveranstaltung der Students for Liberty TU Berlin eine Diskussion der Chancen offener Grenzen für Europa statt. Passend zum Jubiläum von 25. Jahren Mauerfall (der die lang ersehnte innerdeutsche Migration ermöglichte), unter dessen Banner die ESFL Konferenz in Berlin stattfand, wurde das Projekt auch dort außerhalb des Internets einer größeren Öffentlichkeit vorgestellt.

Veranstaltung „Offene Grenzen“ in Bonn: Die nächste Etappe

Am 7. Juli wird an der Universität Bonn die nächste Veranstaltung zu Offenen Grenzen stattfinden. Zwei Studentengruppen, die Libertäre Liste Bonn und die Kölschen Libertarier, haben dazu Hansjörg Walther als Referenten gewinnen können.

Hansjörg Walther ist Mathematiker, und setzt sich besonders aus einer ökonomischen und historischen Perspektive intensiv mit Migration auseinander. Einige werden den klassischen Liberalen von seinem Blog Freisinnige Zeitung her kennen; zudem verfasst er auch gelegentlich Artikel für „eigentümlich frei“.

In seinem Vortrag wird er auf die gängigsten Bedenken und Einwände gegen freie Einwanderung eingehen und ein Plädoyer für ein Ende der Abschottung halten.

Anschließend soll es auch eine Diskussionsrunde geben, an der sich jeder mit Kommentaren, Ideen und Fragen an den Referenten beteiligen kann.

Die Veranstaltung wird videotechnisch von den Sons of Libertas begleitet werden. Wer wirklich nicht kommen kann, braucht sich also nicht zu sorgen, dass er den Vortrag verpasst. Dennoch lohnt es sich, vorbeizuschauen um hier mit anderen ins Gespräch zu kommen und auch von der Diskussion etwas mitnehmen zu können.

Natürlich soll dies alles nicht nur der Bestätigung der Voreinstellungen von Liberalen, Libertären und anderen Befürwortern offener Grenzen dienen. Deshalb sind gerade auch Skeptiker und Zweifler willkommen und eingeladen, sich mit den Argumenten auseinanderzusetzen und vielleicht überzeugen zu lassen.

Denn das ist es, was wir machen wollen. Dem inneren Kompass von Menschen einen Anstoß zu versetzen. Und wir glauben, dass wir mit Hilfe der besseren Ideen einen Anstoß in Richtung der Freiheit leisten können!

Dieser Artikel ist zuerst auf dem Blog der “Kölschen Libertarier” erschienen. Für die Einladung durch die “Libertäre Liste Bonn” und die  “Kölschen Libertarier” sowie diese freundliche Ankündigung möchte ich mich sehr herzlich bedanken. Ich freue mich auf die Veranstaltung und hoffe, den hohen Erwartungen entprechen zu können.

Sollte Amerika seine Grenzen öffnen?

Unter diesem Titel fand am 22. April 2014 eine Debatte statt, die von der Reason Foundation veranstaltet wurde. Die Teilnehmer waren dabei Bryan Caplan, Professor an der George Mason Universität und Blogger bei EconLog, Mark Krikorian vom Center for Immigration Studies, einem restriktionistischen Thinktank, sowie Alex Nowrasteh vom Cato Institute. Moderation: Tom Clougherty, Reason Foundation.

Die Eröffnungsstatements sind nun auf YouTube bei ReasonTV eingestellt worden. Hier entwickelt sich eher wenig an Debatte, weil jeder seinen Punkt für sich entwickelt. Mit zweien auf der Ja-Seite (Caplan und Nowrasteh) und nur einem auf der Nein-Seite (Krikorian) sowie einem wohl eher für offene Grenzen wohlwollenden Publikum und Moderator sind die Karten etwas ungleich gemischt.

Wie Bryan Caplan im Nachgang anerkannte, macht Mark Krikorian rhetorisch seine Sache recht gut, auch wenn er den Argumenten von Caplan und Nowrasteh nur wenig entgegensetzt. Vielmehr spielt er seine Bodenständigkeit aus, um die anderen beiden als weltferne Theoretiker dastehen zu lassen. Er hat sich auch recht gut vorbereitet. Abgesehen davon kommen allerdings nur mehr zwischen den Zeilen Behauptungen, jedoch kein frontaler Angriff. Wie Bryan Caplan urteilt, argumentiert er wie ein Anwalt:

Lawyers’ classic strategy is, “When the facts are against you, argue the law.  When the law is against you, argue the facts.  When the facts and the law are against you, change the subject.”  Mark argues like a lawyer. 

Allerdings läuft damit Bryan Caplan auch mit seinem Versuch etwas ins Leere, die Beweislast Krikorian zuzuschieben.

Das einzig markante Argument von Krikorian ist vielleicht, daß gewisse Städte mit vielen Einwanderern, wie New York und San Francisco, in den USA als weit links gelten und die Vertreter von Immigrantengruppen eine solche politische Ausrichtung unterstützen. Hieraus schließt er, daß mehr Einwanderer zu einer Ausweitung des Wohlfahrtsstaates führen würden. Alex Nowrasteh kann dann allerdings recht gut mit dem Hinweis parieren, daß der Wohlfahrtsstaat in den USA gerade in Phasen von geringer Einwanderung gewachsen ist: in den 1930ern bei Roosevelts „New Deal“ und in den 1960ern bei Johnsons „Great Society“.

Der Abtausch zeigt bis zu einem gewissen Grad, wie schwer es ist, den Fall für offene Grenzen zu vermitteln. Mark Krikorian kann sich zurücklehnen, weil für ihn eine Vielzahl an Argumenten bereits vorgebahnt sind. Er muß sie gar nicht mehr begründen, sondern nur andeuten. Seine Kontrahenten finden sich damit in der Lage, eines nach dem anderen widerlegen zu müssen. Ein skeptischer Betrachter, dem die Argumente von Krikorian geläufig sind, wird dabei vielleicht das eine oder andere Gegenargument anerkennen, sich jedoch schwertun, alle seine vorgefaßten Meinungen auf einmal über Bord zu werfen.

[Diese Besprechung ist zuerst auf dem Blog “Freisinnige Zeitung” erschienen.”]